Blutegel

Viele Menschen haben eine Abneigung gegen Blutegel, was – wie in fast allen derartigen Fällen – auf Unkenntnis beruht. In der Regel stellt man sich unter einem Blutegel einen „ekligen schwarzen Wurm“ vor, der in Gewässern lauert, um badende Menschen anzufallen und ihnen das Blut auszusaugen.

Die meisten Menschen wissen jedoch nicht, dass gerade der Medizinische Blutegel (Hirudo medicinalis) zu gewissen Zeiten einer der wichtigsten Helfer des Arztes war, der in der Medizin eine außerordentlich segensreiche Rolle gespielt hat und zunehmend auch wieder spielt.

Der Blutegel war schon den Naturvölkern bekannt und wird bereits 100 Jahre vor Christus von dem Griechen Nikandros von Colophon erwähnt und geschätzt.

Über griechische Soldaten und Ärzte soll diese Form der Aderlasstherapie nach Europa gelangt sein, geriet aber im Verlaufe der Zeit in Vergessenheit. Erst im Jahre 1923 erhielt die Blutegeltherapie durch den französischen Chirurgenkongreß neuen Auftrieb.

Heute werden die medizinisch verwendeten Blutegel in speziellen Tierfarmen gezüchtet und sind deswegen vom hygienischen Standpunkt unbedenklich zu handhaben.

Die Wirkung der Blutegel ist durch den Blutentzug (Aderlaß) blutreinigend, entgiftend und entzündungshemmend. Durch das von den Tieren in das menschliche Gewebe eingeschleuste Hirudin ist der Blutegel gerinnungshemmend, beugt Thrombosen vor, beschleunigt den Lymphstrom und wirkt immunisierend.

Beinleiden und Gefäßschäden sind die größte und bekannteste Domäne der Blutegel. Thrombosen lösen sich auf, Venenentzündungen und Krampfadern werden gelindert. Die durchblutungsfördernde Wirkung hat den Egeln zu einem festen Platz in der Unfall- und Gesichtschirurgie verholfen. Hier werden sie erfolgreich eingesetzt nach Transplantationen. Sie bringen den Rückfluß in Gang ohne die schweren Nebenwirkungen abschwellender Medikamente. Schon manches angenähte Körperteil wurde so gerettet. Die Liste weiterer Anwendungsmöglichkeiten ist lang: Bei Arthrose, Kopfschmerzen, Gürtelrose, klimakterischen Beschwerden, Bluthochdruck und Entzündungen aller Art werden Egel mit Erfolg eingesetzt.

Zur Anwendung: Etwa 4 – 12 Egel werden pro Behandlung angesetzt. Als Regel gilt: Je chronischer eine Erkrankung, desto weniger Egel werden angesetzt, desto öfter erfolgt aber eine Wiederholung. Der Biß ist einem Insektenstich vergleichbar – ein Pieken oder Ziehen. Nach etwa ½ bis 1 Stunde Saugen ist der Egel gesättigt und fällt ab. Durch die gerinnungshemmenden Wirkstoffe blutet die Wunde noch ca. 12 bis 24 Stunden nach. Dies ist erwünscht und wird nicht gestoppt, sondern mit einem Verband versorgt. Infektionsgefahren: Viele Patienten fürchten eine Übertragung von Krankheitserregern, jedoch wird sie von Experten ausgeschlossen. Zum einen wird die Wunde durch das lange Nachbluten gereinigt, zum anderen enthält das Egelsekret ein natürliches Antibiotikum. Als Vorsichtsmaßnahme werden Egel jedoch nur einmal verwendet. Danach werden sie abgetötet, oder sie kommen in einen „Rentnerteich“ beim Züchter. Manche geheilten Patienten sind ihren Wohltätern jedoch so dankbar, daß sie sie mitnehmen und im eigenen Gartenteich aussetzen.